Studieren kann der Junge nicht.
Sein Vater stirbt jung und die Mutter hat kein Geld.
Friedrich lernt einen Beruf.
Er vergoldet Porzellan und Schmuck und Möbel. Als Vergolder wird er nicht reich, aber er kann von seiner Arbeit leben.
Er lernt eine junge Frau kennen, auch sie ohne Geld.
Sie heiraten, sie bekommen drei Kinder. Sie sind nicht reich, aber glücklich.
Eines Tages findet ein reicher Kaufmann die Kiste mit seinem Geld nicht mehr. „Gestohlen*!“ Aber von wem?
Er geht zur Polizei. Die fragt viele Leute.
Ein Barbier weiß etwas. „Ich habe eine Kiste gesehen!“ sagt er. „Eine Metallkiste!“ „Wie sah die Kiste aus?“ fragt man. Es ist die Kiste des reichen Kaufmanns.
„Am Abend bin ich zu Friedrich, dem Vergolder gegangen. Da stand die Kiste. Neben dem Bett!“ erzählt der Barbier.
Die Polizisten laufen zu Friedrich. Der weiß von nichts. Auch seine Frau und seine Kinder sagen es:
„Wir haben keine Kiste. Wir wissen nichts von einer Kiste mit Geld!“ Aber die Polizisten nehmen die ganze Familie mit.
Friedrich, seine Frau und seine Kinder: alle kommen ins Gefängnis**.
Am nächsten Tag muss der Barbier schwören: „Ich habe die Kiste bei Friedrich zu Hause gesehen! Ich schwöre es.
So wahr mir Gott helfe.“ Friedrich und seine Familie sind auch da.
Friedrich geht auf die Knie: „Das ist nicht wahr! Ich bitte dich! Das kannst du nicht sagen!“ Aber der Barbier bleibt hart.
Der Magistrat steckt Wilhelm, seine Frau und die Kinder wieder ins Gefängnis.
„Friedrich! Sag die Wahrheit!“, immer wieder. „Es ist die Wahrheit!“ antwortet Friedrich. „Ich, wir haben die Kiste des Kaufmanns nicht. Wir haben sie nie gehabt und nie gesehen!“
Man foltert*** ihn. „Ich habe die Kiste nicht!“ sagt er nur immer wieder. Man foltert ihn wieder und wieder. Er bleibt bei seiner Version.
Die ganze Familie bleibt im Gefängnis. Mit Ketten an den Füßen. Es gibt kein Licht. Es gibt wenig zu essen.
Friedrich denkt immer an seine Frau und seine Kinder. Wie geht es ihnen? Er weiß es nicht. Er sitzt allein in seiner dunklen Zelle. Sechs Monate lang.
In der Stadt aer gibt es etwas Neues. Ein armer Schlosser****, sagt man, hat jetzt viel Geld.
„Er trägt einen Goldring und seine Frau hat immer neue Kleider!“ Davon hört auch die Polizei.
Der Magistrat geht mit zwei Polizisten zu diesem Mann.
Sie finden einen Sack mit Geld bei ihm. „Woher hast du das Geld?“ „Für meine Arbeit bekommen!“
„So viel? Wie lange hast du für das Geld gearbeitet? Tausend Jahre?“
Der Schlosser und seine Frau sagen bald die Wahrheit. Er hatte die Kiste gestohlen, die er dem Kaufmann selbst verkauft hatte. Und dann kam Friedrich ins Gefängnis! „Jetzt sind wir sicher!“ haben Mann und Frau gedacht und sich mit dem Geld schöne Dinge gekauft. Zu viele für einen Schlosser. Er und seine Frau kommen jetzt ins Gefängnis.
Und der Barbier? "Ein Irrtum! Das kann vorkommen!"
Und Friedrich? Der Magistrat lässt ihn ins Rathaus bringen.
Erst hat Friedrich Angst. Dann erklärt ihm der Magistrat: „Du bist frei, Friedrich! Und wir geben dir Geld für diese sechs Monate! Alles wird wieder gut! Es tut mir Leid!“
„Aber wo sind meine Frau und die Kinder?“
„Die Kinder bringen wir hier ins Rathaus!“ Der Magistrat macht eine Pause. „Deine Frau aber … du musst jetzt stark sein, Friedrich! Deine Frau … ist jetzt im Paradies, Friedrich!“
„Sie ist …?“
„Ja, sie ist im Gefängnis gestorben“.
Ein Freund von mir hat Friedrich letzte Woche bei sich zu Hause besucht. Es geht ihm gut. Die Stadt gibt ihm das Geld zum Leben. Seine Kinder spielen jeden Tag mit ihm. Sie arbeiten jetzt schon, denn sie sind groß.
„Jetzt haben sie endlich ihren Vater wieder!“ hat mein Freund zu ihm gesagt.
„Nein, nein!“ war Friedrichs Antwort. „Niemand weiß, wo der Vater ist!“
„Du bist der Vater!“
„Ich? Ich bin nur der Fritzel mit dem roten Mützel!“ Dann hat er gelacht und ist durchs Zimmer gesprungen.
*stehlen, stahl, gestohlen: to steal.
**das Gefängnis(se): prison.
***foltern: to torture.